Die Bilanz des 1. FC Köln ist aktuell genauso alarmierend wie die statistischen Zahlen, die die Kölner am Samstag abgeliefert haben. Köln ist auch sportlich in der Krise angekommen. Doch das Klagen und Kritisieren wird nicht viel bringen, dem FC sind die Hände gebunden.
Nach der fünften Niederlage im sechsten Spiel wächst die Kritik an FC-Sportdirektor Christian Keller, an zahlreichen Spielern, aber auch an FC-Trainer Steffen Baumgart. Es werden in den Sozialen Medien Veränderungen gefordert. Zu denen wird es wohl nicht kommen können. Der aktuelle Weg ist nicht erfolgreich, er ist aber alternativlos. Ein Kommentar.
Die Gesichter der Kölner Spieler waren leer, enttäuscht, frustriert. Auch Steffen Baumgart war nach dem 0:2 gegen den VfB Stuttgart der Frust ins Gesicht geschrieben. Nach dem Bremen-Spiel wirkte der Trainer ratlos, nun einfach nur noch enttäuscht. Auch er wird nicht nur predigen, sondern auch wissen, dass die Qualität seines aktuellen Kaders – zumindest momentan – nicht für die Bundesliga reicht. Nach zwei Spielzeiten, in denen der FC mit seinem Offensivfußball die Fans, sogar weite Teile der Liga begeistert hat, ist Baumgart auf dem Boden der Realität, vielleicht auch am Ende der Fahnenstange angekommen. Seine größte Stärke, Spieler zu entwickeln, sie zu motivieren, vielleicht auch stark zu reden, lässt sich in dieser Spielzeit noch nicht in Zählbares ummünzen. Baumgart steht vor seiner schwersten Aufgabe.
Unabhängig vom harten Auftaktprogramm ist die Punkteausbeute des FC desaströs. Köln belegt mit einem Zähler den vorletzten Tabellenplatz und die kommenden Wochen versprechen mit den Begegnungen gegen Leverkusen, Gladbach und Leipzig in der aktuellen Situation keine Besserung. Im Gegenteil: Konnte der FC in den vergangenen Spielzeiten von einem starken Saisonauftakt und einem Puffer an Punkten zehren, gibt es immer weniger Möglichkeiten, den Kurs zu korrigieren – der FC befindet sich im freien Fall. Kein Wunder, dass die Kritik in den Sozialen Medien, unter den Fans nicht nachlässt, im Gegenteil, sie steigt. Baumgart betonte am Samstag, er wolle jetzt nicht draufhauen – liest man Kommentare, Tweets, Posts übernehmen das einige Fans.
Deutliche Kritik an Keller
Vor allem Christian Keller muss aktuell viel aushalten. Dem Sportdirektor wird der radikale Sparkurs vorgeworfen. Den hat der 46-Jährige am vergangenen Mittwoch auf der Mitgliederversammlung sehr sachlich, verständlich und logisch erklärt und verteidigt. Auch wenn seine Erklärungen absolut nachvollziehbar sind, hat er einen Kader zusammengestellt, der sich aus der aktuellen Situation nicht befreien kann. Die zentrale Lücke, die Ellyes Skhiri gerissen hat, wurde nicht adäquat ersetzt und wird zunehmend zu einem zentralen Problem. Der FC ist sportlich bislang nicht in der Lage, vermeintliche Gegner auf Augenhöhe in ernsthafte Gefahr zu bringen. Der Prozess hat in der vergangenen Spielzeit begonnen, er steuert nun auf ein Kölner Desaster zu. Es reicht offensichtlich nicht, darauf zu hoffen, Spieler in Windeseile zu funktionierenden Erstligisten zu entwickeln.
Baumgart ist sicherlich der richtige Mann dafür, er ist aber kein Zauberer. Doch auch die Kritik am Trainer wächst. Er stelle die falschen Spieler auf die falschen Positionen, halte zu lange an fixen Ideen fest und wolle unbedingt mit dem Kopf durch die Wand. Immerhin betonte Baumgart in der vergangenen Woche, dass gerade Letzteres ein zentrales Element seines Seins sei. Dass die Spieler nicht von Kritik verschont bleiben, ist bei der aktuellen Situation ebenfalls kein Wunder, verständlich und vor allem nichts Neues.
Klagen und Kritik helfen nicht weiter
Die Kritik ist nicht nur nachvollziehbar, sie ist in Teilen bestimmt auch nicht unberechtigt. Doch die Klagen sowie eben die Kritik helfen aktuell nicht weiter. Der FC ist in gewisser Weise handlungsunfähig, festgefahren – Köln steckt im Dilemma. Sportlich sind die Geißböcke aktuell nicht in der Lage, Fuß zu fassen. Doch welche Hebel haben sie für eine Kurskorrektur? Erschreckender Weise so gut wie keine. Die üblichen Mechanismen zur Korrektur sind in der jetzigen Situation indiskutabel oder kommen zu spät. Steffen Baumgart muss mit dem Personal arbeiten, das ihm zur Verfügung steht. Das Transferfenster ist geschlossen, Keller hat in der vergangenen Woche noch einmal – auch verständlich – klargemacht, warum vertragslose Spieler aktuell keine Alternative seien. Es wird kein neues Personal geben und glaubt man den Rechtsexperten in Bezug auf das CAS-Urteil auch nicht im kommenden Winter und mit ein wenig Pech noch nicht einmal im kommenden Sommer.
Der wirtschaftliche Kurs von Christian Keller ist nachvollziehbar, vor allem, wenn der FC dabei bleibt, keinen Investor mit an Bord zu holen. Dennoch haben sich die Kölner Verantwortlichen in diesem Transfersommer verspekuliert. Das Risiko Ellyes Skhiri nicht zu ersetzen, war einfach zu groß. Da können die Zahlen auf der Mitgliederversammlung noch so rosig sein. In den Sozialen Medien wird auch deswegen die Ablösung von Keller gefordert. Mal abgesehen davon, dass diese Denke sehr eindimensional ist – denn Keller geht es um nichts anderes als die Zukunft des Vereins, er arbeitet nun die Altlasten seiner Vorgänger ab und die hätten Köln in eine größere Krise führen können, muss die Frage nach dem „Und dann?“ erlaubt sein. Dann müssten die Kölner dem scheidenden Geschäftsführer eine Ablöse zahlen und dem FC wären in Sachen Kaderplanung genauso die Hände gebunden wie jetzt. Den Kader könnte ein neuer Geschäftsführer Sport kurzfristig jedenfalls nicht ändern.
Ein abstruser Gedanke
Deutlich weniger Fans, aber immer noch erstaunlich viele, fordern sogar den Abschied von Steffen Baumgart. Ebenfalls ein gängiges Mittel in Zeiten der Krise – aber ein sehr abenteuerlicher Gedanke. Baumgart hat dem FC in den vergangenen Jahren wieder Leben eingehaucht. Seine offensive Spielweise ist attraktiv, hat Feuer und Emotionen ins Kölner Stadion gebracht. Zugegeben, die Stimmung ist aktuell im Keller und der FC kann sich davon auch nichts kaufen. Doch war das Gefühl in Köln zuletzt eben ein anderes. Viel wichtiger ist aber, dass Baumgart nicht nur die Gabe hat, junge Spieler zu entwickeln, er ist in der Lage, aus seinen Spielern das Maximum und manchmal sogar noch ein wenig mehr herauszuholen. Seine Stärken haben den FC in den vergangenen beiden Spielzeiten zu einem Klub gemacht, gegen den kein Gegner gerne spielt.
Und eben jene Stärken oder vielmehr der Glaube daran, werden auch die Basis für Kellers Transfer-Entscheidungen gewesen sein. Sollte also der abstruse Gedanke eines Trainerwechsels real werden, müssten die Kölner einen Coach finden, der die Idee eines Steffen Baumgarts fortführt, der auf eine ähnliche Weise Spieler entwickelt, ihnen den Mut und das Selbstvertrauen gibt, in dieser Situation zu bestehen. Ein schweres Unterfangen. Mehr Motivation, gerade im Abstiegskampf, geht nicht.
Der Austausch des Personals ist weder auf der Ebene der Verantwortlichen noch auf der der Spieler in der jetzigen Situation eine zielführende Option – eine dahingehend kurzfristige, heilsbringende Lösung kann es nicht geben. „Wir werden weiter den Arsch hochnehmen und um jeden Zentimeter kämpfen, um die nötigen Punkte zu holen“, sagte Steffen Baumgart am Samstag. Diese Marschroute ist nicht nur verständlich, sie ist aktuell alternativlos.