Eine knappe Woche hat die Euphorie durch den Derbysieg die bedrohliche Situation ein wenig vergessen gemacht, sie kaschiert. Das 0:6 hat die Krise wieder schamlos offen gelegt. Und das zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Ein Kommentar.
Die berechtigte Euphorie nach dem 3:1-Erfolg über Gladbach ist am Samstagabend wie ein Kartenhaus zusammen gefallen. Das Selbstvertrauen dürfte sich nach dem desolaten Auftritt wieder im Keller befinden. Und das unmittelbar vor den Duellen gegen die direkte Konkurrenz. Ein Kommentar zur 0:6-Pleite des 1. FC Köln.
Die Bilder hätten kaum unterschiedlicher sein können. Steffen Baumgart ausgelaugt auf der Reservebank, gezeichnet von einer fiebrigen Erkältung, vor allem aber auch von der großen Erleichterung, die er auch später im Interview beschrieb. Ganze sechs Tage später dann ein ganz anderes Bild: der schimpfende, wütende Baumgart, der bei seiner Kritik auch seine Spieler nicht länger ausklammern wollte, noch auf dem Spielfeld auf sie sichtbar erregt einredete. Wut und Frust waren am Samstag mindestens genauso verständlich wie die Erleichterung nach dem Derbysieg am vergangenen Sonntag.
Leipzig ist ein anderes Kaliber
Beim 0:6 in Leipzig boten die Kölner eine desolate Leistung, stellten ihre Bundesligatauglichkeit selbst in Frage, wie auch Thomas Kessler richtig bemerkte und ließen so ziemlich alles vermissen, was es im Abstiegskampf braucht. Auch mit Baumgarts mutigen, selbstbewussten Offensivfußball hatte das Spiel in Leipzig wenig gemein. Die Kölner standen tief, fanden offensiv so gut wie nicht nicht statt und erinnerten viel mehr an jene Mannschaft, die vor drei Spielzeiten mit ihrem destruktiven Zerstör-Kick nur hauchdünn am Abstieg vorbeischrammten. Anderer Trainer, zum Großteil andere Mannschaft – und doch muss der Vergleich angesichts der aktuellen Situation, der vermeintlich zurückgekehrten Krise erlaubt sein. Denn der FC hatte am Samstag viel von einem Absteiger.
Erstaunlich, dass exakt dieselbe Mannschaft auf dem Feld stand, die eine Woche zuvor Gladbach dominiert hat. Eben ein Team, dass ebenfalls in dieser Spielzeit schon zeigte, wie man gegen RB bestehen kann, nur unglücklich 0:1 verlor. Nun ist Leipzig ein anderes Format, ein anderes Kaliber, das in anderen Sphären agiert, als die Fohlen und auch als die Geißböcke. Alleine der Kaderwert der Leipziger ist sechs Mal so hoch wie der des FC, Doppeltorschütze Lois Openda kommt gemeinsam mit dem wohl kommenden Superstar Xavi Simons auf einen Marktwert, der den des gesamten Kölner Kaders übersteigt. Baumgart hat recht, wenn er sagt, dass die Schere zwischen den Topteams und dem Rest der Liga größer wird und die ersten Sechs wegziehen, während die unteren Acht ums Überleben kämpfen. Das ist nicht von der Hand zu weisen und die Schere wird größer werden. Nur hatte man am Samstag nicht den Eindruck, dass die Kölner das letzte Hemd gaben, ums Überleben kämpften. Alarmierend, dass der Ausfall der Stabilisatoren das Kartenhaus hat zusammenfallen lassen.
Köln darf gegen Leipzig verlieren, nur nicht so
Nur um das Klarzustellen: eine Mannschaft wie Köln darf in Leipzig verlieren, Punkte wird kein Verantwortlicher erwartet haben. Aber die Mannschaft, die nach dem Derbysieg doch vor Selbstbewusstsein hätte strotzen sollen, versank in Mutlosigkeit. Der FC wirkte vollkommen verunsichert, ängstlich, seltsam fehl am Platz. Köln hat eine große Chance liegen lassen und das sicher nicht aufgrund des Ergebnisses. Der Derbysieg hat am und um das Geißbockheim eine Euphorie ausgelöst. Eine Euphorie, die der Krise trotzte, sie kaschierte, Hoffnung weckte. Nicht wenige Fans, nicht wenige Experten sahen in dem Erfolg den Auftakt der Wende, sie hofften zumindest darauf und darauf, dass die Kölner Verantwortlichen mit ihren Planungen, ihren Taktiken, ihren Strategien am Ende doch recht behalten würden. Diese Euphorie, dieser Kredit, dieser Glaube ist mit dem 0:6 in Leipzig vorerst verpufft. Der Derbysieg sollte Köln eigentlich beflügeln, ausgerechnet RB hat dem FC diese Flügel aber gestutzt. Köln hat auf der Euphoriewelle reitend eine fast schon historische Bruchlandung erlitten.
Das Derby wie auch beispielsweise die knappe Niederlage gegen den BVB haben gezeigt, dass der FC durchaus mithalten, auch Gegner schlagen kann. Sie haben gezeigt, dass Köln per se das Zeug zum Klassenerhalt hat. Dazu muss beim FC aber vieles zusammenlaufen. Von der Kaderdichte, über die Leistung auf dem Feld bis hin zur Mentalität. Das Selbstvertrauen für die bevorstehenden Aufgaben gegen die Mannschaften auf Augenhöhe, für die richtungweisenden Wochen im Herbst dürfte nach der bösen Pleite aber ähnlich tief im Keller stecken, wie der FC in der Tabelle – gelitten hat es allemal. Ein denkbar schlechter Zeitpunkt. Den Mut muss sich der FC nun im Pokal zurückholen. Und das gegen einen sicherlich aufopferungsvoll kämpfenden Zweitligisten, in einem euphorischen Stadion – es gibt leichtere Aufgaben. Diese war selten so wichtig.
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