,
Startseite » Serhou Guirassy: Vom Kölner Entwicklungsspieler zur Stuttgarter Lebensversicherung

Serhou Guirassy: Vom Kölner Entwicklungsspieler zur Stuttgarter Lebensversicherung

Am Samstag gibt es für den FC einmal mehr ein Wiedersehen mit Serhou Guirassy. Beim FC gelang dem Angreifer der Durchbruch nicht, beim VfB Stuttgart ist er mittlerweile unersetzlich.

Seine vergebene Chance gegen Werder Bremen 2017 wird den meisten Kölnern noch im Sinn sein. Serhou Guirassy überzeugte beim 1. FC Köln nur selten. Beim VfB Stuttgart startet der Stürmer dagegen durch. Serhou Guirassy: beim FC ausgemustert, beim VfB durchgestartet.

Nein, ein Goalgetter ist Dominique Heintz nun wirklich nicht. Aber an diesem Tag im Oktober vor gut sechs Jahren hatte sich der Innenverteidiger etwas vorgenommen. Mit einem schönen Schlenzer sorgte Heintz für den zwischenzeitlichen Ausgleich gegen den VfB Stuttgart. Dass der Innenverteidiger den Treffer erzielte, war angesichts seiner bisherigen Goalgetter-Qualitäten erstaunlich, dass das Torschießen aber generell ein Abwehrspieler übernehmen musste, dann doch wieder auch nicht.

Damals wie heute umgab den FC im Herbst 2017 eine gewisse Sturmflaute. Bis zu jenem achten Spieltag hatten in der Liga nur Offensivspieler Yuya Osako und Innenverteidiger Fredrik Sörensen für den FC getroffen. Gerade der Sturm wollte nicht in Fahrt kommen. Für einen kurzen Augenblick keimte die Hoffnung eines ersehnten Auswärtserfolgs auf, als Serhou Guirassy in der Nachspielzeit im Strafraum mit Dennis Aogo aneinanderstieß. Schiedsrichter Benjamin Cortus entschied auf Strafstoß, nahm diesen dann aber nach geschlagenen vier Minuten und Intervention des VARs wieder zurück – vermutlich eine richtige Entscheidung. Dennoch fiel nur wenige Sekunden später das 2:1 für den VfB, die Krise der Geißböcke setzte sich fort.

Serhou Guirassy strahlte beim 1. FC Köln kaum Torgefahr aus

Zu diesem Zeitpunkt stand Guirassy seit einem knappen Jahr beim FC im Kader. „Wir wollen ihn als jungen Spieler bei uns weiterentwickeln, wir glauben an sein Potenzial“, sagte der damalige Kölner Cheftrainer Peter Stöger, als Serhou Guirassy im Sommer 2016 seinen Vertrag bei den Geißböcken unterschrieb. Der Stürmer war damals zarte 20 Jahre alt, also im besten Entwicklungsalter, hatte zunächst Probleme mit dem Medizincheck und wurde dann für (damals wohl nicht sonderlich verwunderlich) fünf Jahre verpflichtet. 3,8 Millionen Euro soll das Talent, der damalige U20-Nationalspieler Frankreichs, gekostet haben. Der Wunsch des Entwickelns hielt sich für die Kölner aber in Grenzen.

Auch, weil der Offensivspieler oft verletzt war, sehr oft. Guirassy kam in zweieinhalb Jahren auf 45 Einsätze, erzielte in diesen neun Tore und bereitete zwei vor. Wirkliche Torgefahr strahlte der junge Stürmer zu Beginn der FC-Zeit nur selten aus, vielmehr fiel er in dieser Phase mit technischen Schwierigkeiten auf. So wie beim 0:0 gegen Werder Bremen im Oktober 2017. Eine flache Hereingabe von Tim Handwerker schoss der frei stehende Franzose erstaunlich weit über anstatt ins leere Tor. Erstaunlich, weil er eigentlich nur einen Meter vom Kasten entfernt stand und Werder-Keeper Jiri Pavlenka längst geschlagen war. Zu wenig Entwicklung für den FC, vielleicht auch eine zu langsame für den ambitionierten Aufstiegskandidaten. Bestimmt auch, weil sein späterer Trainer Markus Anfang in ihm eher einen Außenspieler als einen Stürmer sah.

Guirassy wird zur Stuttgarter Lebensversicherung

Denn die Spitze war mit Simon Terodde und Jhon Cordoba gesetzt, die Rückkehr von Anthony Modeste wohl nur noch eine Formsache. Der Franzose war bereits in Köln, wartete noch auf die Spielgenehmigung. Der FC suchte einen Abnehmer für Guirassy und fand ihn beim SC Amiens. „Dieser Wechsel ist für beide Seiten eine gute Lösung. Serhou ist ein junger, talentierter Spieler, der für seine Entwicklung regelmäßige Spielpraxis benötigt. Die können wir ihm derzeit nicht bieten“, hieß es damals von Kölner Seiten. Worte, die ebenfalls von Christian Keller hätten stammen können, aber von Armin Veh, dem damaligen Sportdirektor ausgesprochen wurden. Zur guten Lösung wurde die Leihe in erster Linie allerdings für Amiens.

Denn die Vertragspartner hatten eine Kaufpflicht in dem Kontrakt verankert, die im Falle des Klassenerhalts der Franzosen greifen würde. So musste der SC den Stürmer verpflichten. Sechs Millionen Euro brachte der Verkauf den Geißböcken und damit nicht einmal die Hälfte von dem, was die Franzosen für den Stürmer einstrichen. Denn nach anderthalb Jahren und neun Saisontoren wechselte der Stürmer zu Stade Rennes, für 15 Millionen Euro. Bis heute ist nicht vollends geklärt, ob die Kölner noch einmal mit verdienten. Auf eine ordentliche Spielzeit 20/21 folgte eine durchwachsene beim französischen Erstligisten. Die Leihe zum VfB Stuttgart wurde möglich. Der schlaksige Stürmer sollte die Nachfolge von Sasa Kalajdzic antreten, wurde aber so viel mehr. Mit elf Toren in 22 Spielen war Guirassy plötzlich die Lebensversicherung der Schwaben.

Interesse aus Europa

Und diese ließ sich der VfB nicht nur in diesem Sommer als Kaufoption rund neun Millionen Euro kosten. Dem Vernehmen nach wurde mit der Unterschrift das Gehalt ordentlich in die Höhe geschraubt. So sehr, dass die ersten namhaften interessierten Klubs erschrocken das Portemonnaie wieder geschlossen haben. Mittlerweile hat Guirassy 18 Tore in der Liga erzielt, den VfB damit in den Bereich eines Champions-League-Anwärters geschossen. Schon jetzt haben die Schwaben mehr Punkte und mehr Tore auf dem Konto als in der gesamten vergangenen Spielzeit.

Guirassy hat mehr Tore erzielt als der gesamte Profikader des FC. Der Angreifer trifft aus der Distanz, mit dem Kopf und als Abstauber. Der 27-Jährige hat mittlerweile ein beeindruckendes Stellungsspiel, aktuell ein Gespür für die richtigen Laufwege und findet immer wieder die Räume, um zu Chancen zu gelangen. Dabei initiiert er diese auch selber, tritt als Torschussvorlagengeber in Erscheinung. Er ist stark im Eins-gegen-eins, das er auch immer wieder sucht und absolviert erstaunlich viele Sprints. In den vergangenen Jahren hat der Stürmer zudem massiv an seiner Physis gearbeitet. Der junge Franzose verkörpert genau das, was dem FC aktuell so bitter fehlt.

Die Entwicklung war so nicht abzusehen

Gemeinsam mit Deniz Undav, der gegen den FC verletzt ausfällt, bildet Guirassy das gefährlichste Sturm-Duo der Liga. Wieder einmal ließen die Kölner einen jungen Spieler gehen, der nun an anderer Stelle durchstartet. Hat der FC bei diesem Transfer also alles falsch gemacht? Sicher nicht. Auch, wenn es den Anschein macht, als habe der FC einmal mehr Millionen in den Wind gesetzt. Dabei schlägt nicht jeder junger Spieler ein. Als der FC Guirassy ziehen ließ, war die heutige Entwicklung beim besten Willen nicht abzusehen. Und auch in der Folgezeit in Frankreich war der Stürmer kein schlechter Spieler, aber bislang eben bei keiner Station ein überragender. Nicht umsonst konnte der VfB Guirassy problemlos ausleihen. Rennes hatte damals für knapp 50 Millionen Euro zwei Angreifer verpflichtet, Guirassy drohte die Bank, wenig Einsatzzeit – nur noch die Rolle des Jokers.

Beim FC vermisst man einen Stürmer wie Guirassy in dieser Saison mehr denn je. Aktuell fehlt die Fantasie, wer beim FC am Samstag gegen den VfB die Tore schießen soll. Vielleicht nimmt sich Dominique Heintz mal wieder ein Herz.

Schreibe einen Kommentar