Wird der FC im Winter einen neuen Stürmer verpflichten? Das deutete FC-Sportdirektor Christian Keller am vergangenen Sonntag an. Zuletzt hatte die „Bild“ über einen Transfer von Youssoufa Moukoko spekuliert. Dabei schwebt nach wie vor die mögliche Transfersperre wie ein Damoklesschwert über dem FC. Ein Interview mit dem Sportrechtler Dr. Gregor Reiter.
Sportdirektor Christian Keller deutete am vergangenen Sonntag im Sport1-Doppelpass an, dass man sich mit der Verpflichtung eines neuen Stürmers beschäftige. Der 44-Jährige betonte aber auch, dass man die Transfersperre nicht vergessen solle. Denn die sei bekanntlich ja nur ausgesetzt für den 1. FC Köln: Dazu ein Interview mit Fachanwalt Gregor Reiter zum CAS-Urteil.
Herr Dr. Reiter, muss man sich nach dem schwachen Saisonstart Sorgen um den FC machen?
Reiter: Man muss nun erst einmal abwarten, wie es sportlich weitergeht. Der FC ist ja ein Verein, der schon so manche Krise überstanden hat. Und er wird auch diese überstehen. Da mache ich mir keine allzu große Sorgen. Es gibt im deutschen Fußball jedenfalls Vereine, um die ich mir mehr Sorgen machen würden.
Es wird schon bald mit dem CAS-Urteil gerechnet. Große Sorgen macht sich Christian Keller offenbar nicht. Zumindest hat der Kölner Sportdirektor auf der Mitgliederversammlung Ende September Optimismus in Bezug auf das Urteil verbreitet. Sehen Sie das ähnlich?
Reiter: Ich habe sicherlich nicht die Kenntnisse, die Christian Keller hat. Auch nicht die aus der mündlichen Verhandlung, die für eine Einordnung entscheidend sind. Ich glaube schon, dass der FC dahingehend optimistisch sein kann, dass das Urteil reduziert wird. Dahingehend, dass die Sperre komplett aufgehoben wird, das würde ich mir für Köln zwar wünschen, aber diesen Optimismus würde ich nicht teilen.
Es gab einen ganz ähnlichen Fall in Marseille. Dort ist die Sperre gänzlich aufgehoben worden. Es ist also generell möglich, einen Freispruch zu erwirken…
Reiter: Letztendlich geht immer um die Frage, ob der Spieler einen berechtigten außerordentlichen Kündigungsanspruch hatte oder nicht. Hätte der Spieler seinen Arbeitsvertrag mit Ljubljana außerordentlich kündigen dürfen – ja oder nein? Wenn man dies mit „Ja“ beantwortet, gibt es keinen Grund, die Kölner zu bestrafen. Wenn man die Frage aber mit „Nein“ beantwortet, dann spricht die zeitliche Nähe zwischen Kündigung und neuem Arbeitsvertrag dafür, dass der FC zumindest von dem Vorhaben des Spielers hätten wissen können. Soweit ich die Kündigungsgründe des Spielers kenne, würde ich sagen, dass diese eben nicht ausreichen, um eine fristlose Kündigung zu begründen. Nach der Auffassung der FIFA enthält Art. 17 Abs. 4 der FIFA-Transferstatuten die Vermutung, dass der neue Klub den Spieler zum Vertragsbruch angestiftet hat. Diese Vermutung muss der FC widerlegen, wenn der Spieler keine belastbaren Gründe für eine Kündigung hatte.
Warum muss der FC seine Unschuld beweisen? Das wirkt auf den Laien falsch herum.
Reiter: Das ist richtig. Im Zivilrecht gilt, dass derjenige, der sich auf etwas beruft, dies auch beweisen muss. Die Vermutungsregel der FIFA dreht dies in einem Punkt um. Wie im Arbeitsrecht muss auch hier derjenige, der eine fristlose Kündigung ausspricht, den Kündigungsgrund beweisen. Hier also der Spieler. Im Arbeitsrecht müsste allerdings der alte Arbeitgeber beweisen, dass der Spieler durch den neuen Arbeitgeber angestiftet wurde. Dies ist hier anders, denn es wird vermutet, dass der 1. FC Köln den Spieler zu dieser Kündigung angestiftet hat. Nicht der alte Klub muss die Anstiftung beweisen, sondern der neue – also der FC – muss die Vermutung erschüttern. Der FC muss also nicht den Vollbeweis führen, dass er nicht angestiftet hat. Er muss die Vermutung aber zumindest so stark erschüttern, dass sie als widerlegt gilt. In dem Fall müsste dann wieder der alter Klub den Vollbeweis der Anstiftung führen. Hier wird alleine aufgrund der zeitliche Nähe vermutet, dass der FC hinter der Geschichte steht.
Laut eines Medienberichts behauptet der FC, erst am Tag nach der Kündigung Kontakt zu dem Spieler aufgenommen zu haben. Sollte das zutreffen, heißt das, der FC habe innerhalb von 24 Stunden diesen Transfer abgeschlossen. Ist das realistisch?
Reiter: Grundsätzlich sind diese 24 Stunden nicht unrealistisch. Dass der FC aber am Morgen nach der Kündigung erfahren hat, dass der Spieler im Grunde ablösefrei zur Verfügung steht, da habe ich zumindest meine Probleme mit, das nachzuvollziehen. Das ist ja auch der Grund, warum man diese Vermutungsregelung hat. Die zeitliche Nähe lässt vermuten, dass die Kölner involviert waren. Diese Vermutung reicht für die Verurteilung aus.
In dem Bericht heißt es weiter, dass es bereits zuvor Kontakt zwischen Jörg Jakobs und dem Spieler gegeben haben soll. Der FC argumentiere laut Bericht damit, dass Jakobs in diesem Zeitraum als externer Berater tätig gewesen sei. Als Arbeitnehmer sei er seit mehreren Jahren ausgeschieden. Ist diese Argumentation plausibel?
Reiter: Aus meiner Sicht nicht. Bei der Frage, ob der FC den Spieler zur Kündigung angestiftet hat, kommt es nicht darauf an, wie er das gemacht hat. Es geht darum, ob er das gemacht hat beziehungsweise ob ihm die Anstiftung zuzurechnen ist. Der Klub handelt immer durch irgendwelche Vertreter. Das können Arbeitnehmer, Verantwortliche, aber eben auch externe Berater sein. Wenn der FC Jörg Jakobs wirklich beauftragt hat, dann wird er sich das Handeln und das Wissen von Jakobs zurechnen lassen müssen. Mit dem Argument würde der FC nicht weiterkommen. Im Gegenteil, er würde meiner Ansicht nach damit unterstreichen, dass er in den Prozess frühzeitig involviert gewesen ist.
Sollte das die Argumentation sein, wirkt sie auf den ersten Blick und vor allem von außen sehr arglos…
Reiter: Es kommt wie gesagt nicht darauf an, in welcher Beziehung Jakobs mit dem FC gestanden hat, sondern dass er in einer Beziehung zum FC gestanden hat. Wenn ich die Regularien dadurch umgehen könnte, dass ich einen Berater einschalte, dann wäre dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Dann würde ich nur noch externe Berater beauftragen.
Bei einer Verurteilung wird der FC mit einem Registrierungsverbot belegt. Was genau bedeutet das?
Reiter: Der FC darf keine neuen Spieler in den betroffenen Transferphasen registrieren. Wenn sich ein Spieler entschließt, zu einem anderen Verein zu wechseln, dann muss der Klub diesen Akteur über das sogenannte TMS-Tool registrieren. Der abgebende Verein muss diese Registrierung bestätigen. Diese Möglichkeit würde man dem FC verwehren. Es gibt technisch keinen Zugang mehr.
Also Vertragsverlängerungen und Abgänge sind von einem solchen Verbot nicht betroffen?
Reiter: Genau. Es geht ausschließlich um Neu-Registrierungen. Ein Vertrag kann ja auch außerhalb der Transferperiode verlängert werden. Eine Abgabe ist im Grunde eine De-Registrierung und keine Neu-Registrierung.
Der FC hat aktuell einige geliehene Spieler, besitzt dem Vernehmen nach für alle drei eine Kaufoption. Könnten die Kölner diese während einer Sperre ziehen?
Reiter: Dies sollte eigentlich nicht gehen, da bei Ablauf des Leihvertrages der Spieler zurück zu seinem alten Verein muss, bei dem er auch noch einen Arbeitsvertrag hat und der FC müssten diesen Spieler bei einem endgültigen Transfer auf Grundlage eines Transfervertrags neu verpflichten und damit auch neu registrieren. Allerdings sieht Art. 25 Abs. 3 FIFA-Transferstatuen genau für diesen Fall eine Ausnahme vor: Rechtlich ist es eine Neuregistrierung, aber sie ist trotz Transfersperre ausdrücklich erlaubt.
Wie verhält es sich mit der Registrierung von Nachwuchsspielern des FC. Die werden im Worst Case ja die neuen Hoffnungsträger sein...
Reiter: Das ist aber kein Transfer im klassischen Sinne. Das sind Spieler des Vereins. Da ändert sich primär die Rechtsgrundlage, auf der sie beschäftigt sind. Meiner Meinung nach könnte der FC die Akteure auch bei einer ausgesprochenen Transfersperre zu Profis machen. Das ist keine Frage einer Neu-Registrierung.
Wann haben wir die Gewissheit?
Reiter: Das ist schwer einzuschätzen. Das CAS lässt sich schon mal gerne sechs, sieben, acht Monate Zeit. Das glaube ich in dem Fall aber nicht. Ich denke, dass das Urteil noch vor der Transferperiode verkündet wird.
Dr. Gregor Reiter ist Rechtsanwalt, spezialisiert auf die Bereiche Insolvenz- und Sportrecht. Von 2007 bis 2020 war er Geschäftsführer der Deutschen Fußballspieler Vermittler Vereinigung. Seit 2008 ist er Berater der European Football Agent Association mit Sitz in Den Haag.
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