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Steffen Baumgart: Entwicklung, Vertrauen, klare Worte

Seit zwei Jahren leitet Steffen Baumgart die Geschicke beim 1. FC Köln. Und das durchaus erfolgreich. Ein Teil seines Erfolgs ist dabei die Kommunikation. Das ist aber noch längst nicht alles.

Er ist kein Klemmbretttrainer, wohl auch kein Fußballanalyst, sein Erfolgsrezept ist ein anderes. Steffen Baumgart: Entwicklung, Vertrauen, klare Worte.

Als Christian Keller vor einer guten Woche vor die Presse trat und sinngemäß erklärte, dass man dem aktuellen Kader vertraue, auf ihn in dieser Saison zähle, war das vermutlich nur die halbe Wahrheit. Und das noch nicht einmal unbedingt, weil die Kölner Verantwortlichen möglicherweise doch nach einer weiteren Offensivkraft gesucht haben. Vielmehr, weil das Vertrauen in die Mannschaft an das Vertrauen in eine weitere Person gebunden ist. Oder besser gesagt an das Vertrauen in die Fähigkeiten einer weiteren Person: an den „Entwickler“ Steffen Baumgart. Denn Keller ist in Köln angetreten, mit der Absicht, den FC zu sanieren, ihn auf gesunde Beine zu stellen und ihn zu einem Entwicklungsklub zu machen. Für die Umsetzung auf dem Platz scheint der Kölner Trainer wiederum prädestiniert. Zumindest wird der 51-Jährige in der öffentliche Wahrnehmung als Entwickler gesehen, in Köln gefeiert. Diesen Ruf hat sich Baumgart in den vergangenen beiden Jahren erarbeitet, doch geht er eigentlich nicht weit genug.

Marktwert der U25-Spieler vervielfacht

Tatsächlich scheint Baumgart ein Händchen für junge Spieler zu haben. Natürlich fehlt der Vergleich, ob ein anderer Coach ähnlich viel aus einer 50.000-Euro-Neuverpflichtung wie Denis Huseinbasic in dem kurzen Zeitraum herausgeholt hätte – immerhin liegt der Marktwert des 22-Jährigen mittlerweile bei mehr als einer Millionen Euro. Möglicherweise hätte auch ein Linton Maina bei einem anderen Klub zu der Stärke der vergangenen Spielzeit gefunden und Eric Martel wäre bei beispielsweise Mainz oder Stuttgart ebenfalls ein Leistungsträger geworden. Vielleicht hätte auch ein anderer Trainer einen Salih Özcan von einem gefühlt ewigen Talent zu einem Champions-League-Teilnehmer formen können. Das alles ist spekulativ und im Einzelfall auch nicht unwahrscheinlich. Das Konglomerat an positiven Entwicklungen junger Spieler ist dennoch bemerkenswert. Und rechnet sich in vielen Fällen auch.

Im Sommer 21 sowie 22 hat der FC acht neue Spieler unter 25 Jahren verpflichtet, dafür insgesamt zwischen acht und zehn Millionen Euro ausgegeben. Dieselben Akteure kommen mittlerweile auf einen berechneten Marktwert von mehr als 30 Millionen Euro. Diese wirtschaftliche Entwicklung ist natürlich nicht nur auf Baumgart zurückzuführen, zumal einige Spieler ablösefrei zum FC gewechselt sind, die Ablöse nur selten dem Marktwert entspricht. Aber beispielweise Eric Martel hat die Ablöse in Bezug auf den Marktwert mittlerweile verdreifacht, Luca Kilian verdoppelt und Denis Huseinbasic mehr als verzwanzigfacht. Mit Jacob Christensen, Rasmus Carstensen und Faride Alidou haben die Kölner auch in diesem Sommer wieder drei Spieler unter 23 Jahren verpflichtet. Gerade die beiden Dänen versprechen einen ähnlichen Gewinn. Sollte sich Alidou unter Baumgart ebenfalls positiv entwickeln, wird er wohl nicht zu halten sein. Die Eintracht hat sich nicht umsonst eine Rückkaufoption in den Vertrag schreiben lassen.

Kommunikation als Schlüssel

Dass Baumgart aber vielmehr als „nur“ ein Entwickler ist, zeigt sich auch bei den älteren Akteuren, die eben nicht mehr das große Entwicklungspotenzial haben, aber dennoch zu alter, zu einer erfolgreichen Form zurückgefunden haben. Anthony Modeste hätte sicherlich niemand mehr einen zweiten oder vielleicht sogar dritten Frühling zugetraut. Unter Baumgart avancierte der Franzose wieder zum Heilsbringer, Alleinunterhalter und bescherte dem FC Europa und schließlich noch eine Ablöse von rund fünf Millionen Euro, die weit über dem eigentlichen Marktwert gelegen hat. Auch Davie Selke wurde mit viel Skepsis in Köln begrüßt, schließlich von Baumgart in Zusammenhang mit der Nationalmannschaft gebracht und in diese von vielen Fans auch hinein gewünscht. Baumgarts Erfolgsgeheimnis bleibt eins, ist ähnlich schwer zu entschlüsseln wie der Pfeiffcode, den er seinen Spielern ganz offensichtlich eingetrichtert hat. Doch es gibt einzelne Teilbausteine, die deutlich zu erkennen sind.

Und das hat viel mit der Kommunikation und wohl auch der zwischenmenschlichen Ebene zu tun. „Es gibt die symmetrische oder die asymmetrische Kommunikation. Asymmetrisch bedeutet, dass ich eine sehr starke Hierarchie einbaue“, sagte Christoph Bertling, Kommunikationswissenschaftler der Sporthochschule Köln, dem GA. Auf solche Trainertypen setzen Vereine im Abstiegskampf. Baumgart hingegen werde laut Bertling der „symmetrischen Kommunikation“ zugeordnet. Diese sieht Spieler und Trainer auf Augenhöhe. „Die Gefahr dabei ist aber, wenn es schiefläuft, ist es schwierig, die Kontrolle oder die Führung wiederzubekommen.“ Wenn es aber gut läuft, dann erleichtert es diese Form der Kommunikation, in die Mannschaft reinzuhören. 

Baumgart lebt eine Vetrauenskultur vor

Ein Schlüssel dieser Kommunikation ist eben Vertrauen. Baumgart lebt der Mannschaft, dem Verein eine Vertrauenskultur vor, die die Spieler angenommen haben. Der Kölner Coach wird seit seinem Amtsantritt nicht müde zu betonen, welchen Stellenwert jeder einzelne Spieler habe. Er setzt möglichst viele Akteure ein, gibt ihnen Einsatzminuten, vertraut ihnen – unabhängig davon, ob sie zuletzt die volle Leistung gebracht haben. Er glaubt an seine Mannschaft, an die Fähigkeiten der Spieler. Und das Team vertraut dem Trainer blind, geht jeden Meter für Baumgart, auch über die 100 Prozent hinaus. Und Baumgart sucht das offene Gespräch, ist ehrlich und direkt. „Ich bin sehr sehr froh, dass wir Steffen als Trainer haben, weil er einfach ein extrem authentischer und sehr Werte bezogener Mensch ist“, sagte Christian Keller vor einigen Wochen.

Diese Werte vermittelt Baumgart weiter und seine Authentizität wird von den Spielern geschätzt. Damit überzeugte Baumgart unter anderem Davie Selke zu einem Wechsel zum FC. „Das Gespräch mit ihm war sehr klar. Er hat nicht nur gesagt: ‘Hey, das machst du gut und du bist der Allergrößte.‘ Nein, er hat mir auch klar gesagt, was nicht gut ist und dass er mich wieder hinkriegt. Es war ein klarer Austausch. Ich bin so ein Typ, der das braucht. Er hat mir auch direkt Szenen gezeigt mit der Art und Weise, wie er spielen lässt. Und wir haben auch Szenen von mir angeschaut. Er hat mir erklärt, warum Sachen beim FC funktionieren werden, die davor vielleicht nicht geklappt haben“, sagte Selke in einem Interview der Bild. „Mir ist es wichtig, jemanden an der Seite zu haben, der mir ein ehrliches Feedback gibt. Im Guten wie im Schlechten. Genau das brauche ich“, erklärte Luca Waldschmidt im „Kicker“. „Wir haben uns darüber unterhalten, was sich der Klub vorstellt, wo ich mich sehe und meine Qualitäten einbringen kann. Ich glaube, da kann ich ein gutes Puzzlestück sein in dieser Mannschaft.“

Vertrauen zahlt sich aus

Baumgart findet bei seinen Spielern offenbar den richtigen Ton, ist ein Motivator – zumindest lassen diverse Folgen der Vereins-Doku 24/7 genau darauf schließen. Sie wirken authentisch. Diese Authentizität nimmt man Baumgart in jeder Phase des Spiels, in jedem Training, in jedem Gespräch ab. Und spätestens dann wird klar, dass er sicher kein Klemmbretttrainer, kein Fußballanalyst ist. Baumgart ist in erster Linie offensichtlich eins: Er ist Fußballfan. Er liebt den Sport mit dem Ball, den attraktiven Fußball. Den will er, den verkörpert er, den fordert er. Und bekommt es nun seit zwei Jahren von seinen Spielern in Köln zurückgezahlt. Kein Wunder, dass Keller seinem Entwickler und damit auch dem Kader vertraut.

Baumgarts beste Sprüche

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