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Analyse: Wie dringend braucht der FC einen weiteren Stürmer?

Nach der Begegnung gegen Wolfsburg erhält Davie Selke nun doch eine Pause. Die Diskussionen um einen weiteren Stürmer-Transfer reißen nicht ab, obwohl Sportchef Christian Keller dem einen Riegel vorschob. Wie dringend braucht der FC einen Angreifer?

Mit dem Ausfall von Davie Selke bricht dem FC eine wichtige Säule des Kölner Spiels weg. Das beteuerten Steffen Baumgart und Christian Keller. Auf der anderen Seite sagte der Sportchef aber, dass ein weiterer Angreifer nicht dringend notwendig sei, der FC nicht in Panik verfallen müsse. Stimmt das? Analyse: Wie dringend braucht der FC einen weiteren Stürmer?

Nun also doch: Davie Selke muss pausieren. Drei Pflichtspiele, drei frühzeitige Auswechslungen. Nun hat der Klub dem 28-Jährigen eine Pause verordnet. Der Angreifer wird mit großer Sicherheit nicht gegen Eintracht Frankfurt auflaufen können. Und damit dürfte die Diskussion um einen möglichen weiteren Transfer, nämlich den eines Offensivspielers, in die nächste Runde gehen. Spätestens seit Selkes verletzungsbedingter Auswechslung gegen den VfL Osnabrück wird über eine Verpflichtung eines weiteren Stürmers heftig diskutiert. Der Kader sei auch auf dieser Position zu dünn besetzt, Selke zu anfällig, der FC kann ohne Mittelstürmer nicht funktionieren lauten einige These. Aber stimmt das?

Notlösung funktionierte nicht

Gegen Borussia Dortmund lief bereits die Nachspielzeit als Steffen Baumgart Luca Kilian für Rasmus Carstensen brachte. Doch der 22-Jährige suchte weder den Weg auf seine abgestammte Abwehrposition noch übernahm Kilian die Rolle des ausgewechselten Dänen. Der Innenverteidiger probierte sich für die letzten Sekunden als Stoßstürmer. Auch wenn Steffen Baumgart den missglückten Auftritt später in einige lustige Sprüche kleidete, der Versuch zeigte eindrucksvoll, in welch misslicher Lage sich auch Baumgart in Sachen Stoßstürmer sieht. Das wiederholte der 51-Jährige auch in der Vorwoche, als er gefragt wurde, ob Selke gegen Wolfsburg beginnen würde. „Ich habe nur einen Mittelstürmer“, erklärte Baumgart, natürlich würde Selke beginnen. Nun fällt dieser eine Mittelstürmer aus und die Frage nach einem weiteren Stürmer scheint damit doch eigentlich beantwortet.

Eigentlich, denn Christian Keller machte vor dem Wolfsburg-Spiel ziemlich deutlich, was er von einem neuen Stürmer halte und sieht ganz offensichtlich mehr als nur diesen „einen“ Mittelstürmer. „Grundsätzlich glaube ich schon, dass wir ordentliche Spieler vorne drin haben“, sagte der Sportchef und: „Wenn ich sage, dass ich eigentlich gute Spieler vorne drin habe, aber jetzt ist der ein oder andere aus unterschiedlichen Gründen nicht hundertprozentig fit, dann ist das kein ausschlaggebender Grund zu sagen, wir müssen jetzt noch etwas machen. Wenn jetzt alle langzeitverletzt wären, wäre es etwas anderes.“ Der Sportchef gab aber auch zu, dass ein ausgewechselter Stoßstürmer „natürlich auch für die Mannschaft schwierig ist, weil die Statik des Spiels dann kaputt geht.“

Kölns Spiel auf einen Mittelstürmer zugeschnitten

Und da liegt tatsächlich das Kernproblem eines fehlenden Zielspielers – zumindest beim System des FC. Gegen Wolfsburg schlugen die Kölner 25 Flanken, gegen den BVB waren es immerhin 20. Kein anderes Team kommt in der Bundesliga auf so viele Hereingaben von Außen. Allerdings kamen gegen Wolfsburg genau fünf von 25 Flanken an, und davon wiederum zwei bei Selke. Das Kölner Spiel ist auf das Flügelspiel und damit auf einen Mittelstürmer zugeschnitten. Das war es auch schon in der vergangenen Spielzeit. Damals kam der FC auf 466 Flanken, es folgten Union mit 420 und Schalke mit 395.

Der FC scheint für sein System also einen Mittelstürmer dringend zu benötigen. Die Offensivqualitäten von Luca Waldschmidt und Mark Uth sind unbestritten, die beiden Angreifer sind aber ein komplett anderer Spieltyp, fühlen sich hinter den Spitzen besser aufgehoben, strahlen dort mehr Gefahr aus. Auch Sargis Adamyan, der gegen Wolfsburg nicht überzeugen konnte, ist kein klassischer Mittelstürmer. Es bleiben also für diese Position „nur“ die Rekonvaleszenten Steffen Tigges und Florian Dietz. Schon in der Vorsaison haben die Kölner Verantwortlichen gesehen, wie schwer es ist, ohne funktionierenden Stoßstürmer zu agieren. Der Kölner Sturm war lange Zeit nicht mehr als ein laues Lüftchen. Erst eben mit Davie Selke kam im Winter die erhoffte Gefahr. Dementsprechend schwer wiegt die Verletzung.

Hat der FC einen Backup für Selke in den eigenen Reihen?

Allerdings ist diese nicht strukturell, die verordnete Ruhe sollte eigentlich dazu dienen, dass Selke nach der Länderspielpause wieder angreifen kann und wohl auch wird. Und so sind wohl auch Kellers Worte zu deuten. Keiner der angeschlagenen Mittelstürmer sollte Stand jetzt langfristig ausfallen. Dennoch bleibt die Sorge, wie fit Selke wirklich ist. Ob der Angreifer tatsächlich – wie in den Sozialen Medien beschrieben – verletzungsanfällig ist, ist aus der Ferne nicht realistisch zu diagnostizieren.

Selke hatte in seiner langen Karriere immer wieder mal kleinere Verletzungsproblemchen, wie vermutlich ein Großteil der Bundesligaspieler. Sie gehören zum Fußball dazu. Seine Verletzungshistorie mit der eines Sebastian Andersson zu vergleichen, ist aber weit von der Realität entfernt. Wirklich lange fiel der Stürmer nie aus, zumindest nicht aufgrund von strukturellen Verletzungen. Nicht von der Hand zu weisen ist dagegen, dass Selke sowohl bei Hertha BSC als auch bei Werder Bremen bereits mit Oberschenkelproblemen ausgefallen ist. Ein Backup macht daher durchaus Sinn.

Wie steht es um Steffen Tigges?

Am Samstag absolvierte Steffen Tigges bereits 60 Minuten bei der U21, der 25-Jährige hat in den vergangenen Wochen wieder mit der Mannschaft trainiert, wirkt wieder fit. Baumgart betonte, dass der Stürmer jederzeit „reinkommen“ könne. Immerhin habe ihn die Schulterverletzung ja nicht davon abgehalten, etwas mit den Füßen zu machen. Im Gegensatz zu Florian Dietz, der nach wie vor Probleme bei seiner Rückkehr nach der schweren Knieverletzung hat, steht Tigges also auch bei den Profis vor dem Comeback. Allerdings kam der Stürmer auch in der Vorsaison aus einer langen Verletzungspause zurück, suchte während der Hinrunde den Anschluss und seine Form und erzielte bis zur WM-Pause genau drei Treffer, davon nur einen nach einer Flanke per Kopf – genauso wie anschließend in der Rückrunde.

Die Datenscouts von Global Soccer Network, ein Daten-Unternehmen, das unter anderem Spitzenklubs wie PSG und den FC Chelsea in Transferfragen berät, ordnen Tigges als durchschnittlichen Bundesligaspieler ein, sein Potenzial ist aber laut Experten nahezu erreicht, ein großer Leistungsschub also nicht zu erwarten. Selbst wenn Florian Dietz schneller als erwartet wieder an den Kader herangeführt werden kann, ist auch bei ihm die Frage, ob er umgehend die erhoffte Qualität auf den Platz bringen kann. GSN glaubt das nicht. Das Unternehmen rechnet die Qualitäten des Angreifers schwächer als die von Tigges ein.

Es bleibt die drohende Transfersperre

Christian Keller betonte dennoch, dass man ordentliche Spieler für „vorne drin“ habe. Tatsächlich sollten nach der Länderspielpause wieder zwei Mittelstürmer zur Verfügung stehen. Dann haben die Kölner drei Ligaspiele absolviert. In der vergangenen Saison kam der FC nach drei Spieltagen bereits auf sechs Tore, keins davon erzielte ein Angreifer. Nach dem Abgang von Anthony Modeste und der Verletzung von Mark Uth startete der FC damals mit Steffen Tigges, Florian Dietz, Tim Lemperle und Sebastian Andersson in die Saison, wohl gemerkt in die Doppelbelastung mit der Conference League. Im Gegensatz zur Vorsaison ist der FC in der Offensive durch die Verpflichtungen von Luca Waldschmidt und Faride Alidou sowie die erhoffte Rückkehr von Mark Uth deutlich variabler aufgestellt. Bleibt Selke verletzungsfrei, kann das Gebilde durchaus funktionieren. Man sollte allerdings nicht vergessen, dass auch ein Davie Selke schon schwere Zeiten durchlebt und nicht immer funktioniert hat.

Die große Unbekannte bleibt aber nach wie vor die Transfersperre. Es kann gut sein, dass der FC im Winter handlungsunfähig ist und nicht nachjustieren kann – so wie noch im vergangenen Winter, als Selke aus Berlin geholt wurde, eben weil Köln zu ungefährlich war. Sollte sich der 28-Jährige ernsthaft verletzen, länger ausfallen oder nicht an die Leistung der Vorsaison anknüpfen und der FC wäre im Winter tatsächlich handlungsunfähig, dürften die Optionen der Rekonvaleszenten Steffen Tigges und Florian Dietz als Stoßstürmer tatsächlich ein wenig dünn sein. Für eine sinnvolle Alternative müsste der Markt allerdings auch etwas hergeben und der FC über das nötige Kleingeld verfügen.

Bleiben also noch die Hoffnungsträger aus dem Nachwuchs. Die Youngster wie Damion Downs haben ihre Qualitäten bereits aufblitzen lassen. Downs erzielte erst am Samstag zwei Treffer beim 2:2 der Kölner U21 gegen den Wuppertaler SV. Der Sprung zu den Profis ist aber dennoch ein großer und Steffen Baumgart offenbar nicht restlos von der aktuellen Bundesligatauglichkeit überzeugt. Dennoch könnte Downs tatsächlich zu einer Option für Kurzeinsätze werden.

 

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