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Kommentar: Baumgart hat Fehler gemacht, verpokert haben sich andere

Am Donnerstag haben der 1. FC Köln und Steffen Baumgart die Reißleine gezogen und gehen getrennte Wege. Eine logische, aber harte Entscheidung. Dem Coach die Hauptschuld zu geben, wäre aber zu einfach. Ein Kommentar.

Abstiegsplatz, Trainerentlassung, Transfersperre und somit keine Möglichkeit nachzubessern sowie mangelnde Kaderqualität. Der 1. FC Köln steht nach dem 16. Spieltag vor einem Scherbenhaufen. Die Fehler, die zu dieser Misere geführt haben, wurden allerdings bereits vor einiger Zeit gemacht. Ein Kommentar zur Trainerentlassung von Steffen Baumgart.

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Als der FC am Donnerstagnachmittag die Trennung von Steffen Baumgart bestätigte, befand sich der baldige Ex-Trainer bereits im obligatorischen Weihnachts-Skiurlaub in Österreich. Wer Baumgart am Abend zuvor nach der 0:2-Niederlage bei Union Berlin im Gespräch mit den Medienvertretern gesehen hat, der wird eine gewisse Notwendigkeit für diese Erholung erkannt haben. Baumgart wirkte leer, desillusioniert, ratlos. Sachlich, aber bestimmt, vertröstete er die Anwesenden, die auf eine Antwort warteten, die sie eigentlich alle schon kannten. Obwohl Steffen Baumgart noch einmal in sich gehen wollte, ankündigte, dass man sich nun Gedanken machen würde, dürfte die Nachricht der Trennung am Donnerstag nur noch wenige überrascht haben. Erste Anzeichen hatte es schon zu Beginn der Woche gegeben, als Baumgart erstaunlich sachlich eine vermeintliche Diskussion um seine Person als „normal“ abtat, sie verdichteten sich am Mittwoch, als der 51-Jährige sinngemäß von der Verantwortung sprach, die man zum Wohle des Vereins übernehmen müsse.

Das Kartenhaus bricht zusammen

Nach einer Bilanz von zehn Toren und zehn Punkten aus 16 Spielen, dazu einem unsäglichen Pokal-Aus gegen einen Zweitligisten ist eine Trainerentlassung nun wahrlich keine Sensation, keine Überraschung, vielmehr eine erwartbare und eine konsequente Entscheidung. Wäre da nicht dieses „aber“. Denn mindestens bis in den Spätsommer hinein war ein 1. FC Köln ohne Steffen Baumgart nicht vorstellbar und ist es gefühlt noch immer nicht so recht. Selten hat ein Trainer so gut zu den Geißböcken gepasst wie der hemdsärmelige, launische, nahbare, vielleicht auch Schlager hörende Baumgart. Der Rostocker hat die Herzen der Kölner durch seine Art, seinen Humor, aber vor allem durch seinen attraktiven Fußball im Sturm erobert. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Baumgart nach der knappen Relegations-Rettung zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen ist. Schlechter als in der Spielzeit 20/21 hätte es wohl kaum laufen können. Baumgart motivierte, entwickelte und redete seine Spieler besser, als sie es möglicherweise waren und wurde zum sehnsüchtig erwarteten Heilsbringer.

Er sprach seinen Spielern freundschaftlich Vertrauen zu und bekam dieses auf dem Feld über die erwartbaren 100 Prozent hinaus zurück. Die Gefahr dieser Art Trainer ist es, dass das sportliche Kartenhaus in sich zusammenfallen kann, wenn die Spieler den Glauben an und in sich verlieren. Spätestens nach dem 0:6-Debakel gegen Leipzig war das ganz offensichtlich der Fall. Total verunsichert schlitterte der FC von einer schwachen Leistung in die nächste und Baumgart verlor zunehmend den Glauben, seine Spieler motivieren, sie zu einer Leistung über die Grenzen hinaus bringen zu können. Der 51-Jährige wirkte zunehmend ratlos, auf dem Trainingsplatz unwirsch, verließ taktisch seinen fest implementierten Weg, den er nie verlassen wollte und traf seltsame, wohl auch falsche Personalentscheidungen. Vermutlich in der Hoffnung, den richtigen Hebel, den Schalter zu finden. Er hat probiert, gemacht und musste am Ende feststellen, dass auch seine Grenzen irgendwann erreicht sind.

Baumgart trägt nicht die Hauptschuld

Und damit kommt das zweite „aber“, dass die logische, die konsequente Trennung dann doch wieder relativiert. Denn Baumgart die Hauptschuld an der Krise zu geben, ist zu einfach. Der Trainer konnte nur mit dem Kader arbeiten, den ihm Christian Keller zur Verfügung gestellt hat. So logisch, so richtig, so wichtig der selbst auferlegte Sparkurs der FC-Bosse möglicherweise sein mag, er hat den FC in das aktuelle sportliche Desaster geführt. Baumgart trägt sicherlich an der Misere eine Teilschuld, die Verantwortung sollte der Coach aber nicht alleine übernehmen müssen. Die Abgänge der Stammkräfte konnte der Entwickler nicht kompensieren. Offenbar blieben seine Wünsche ungehört. Baumgart sah sich und seine Mannschaft zunehmend nicht mehr wettbewerbsfähig und stellte dementsprechend das Konstrukt des 1. FC Köln in Frage. Das hat sicherlich zu Rissen im Vertrauensverhältnis zwischen Trainer und den FC-Bossen geführt.

Dabei gibt es durchaus einige Ungereimtheiten angesichts der Qualität des aktuellen Kaders. Die genauen Zahlen werden nur die Kölner Verantwortlichen kennen, dennoch muss die Frage erlaubt sein, ob der wirtschaftliche Zwang so groß war, dass ein sportlicher Niedergang zumindest in Kauf genommen wurde, wohlwissend, dass am Ende einer sportlichen Misere die Frage nach dem Trainer die erste sein würde. Natürlich hat das Damoklesschwert Transfersperre die Transferverhandlungen im Frühling konterkariert. Die Aussagen vom 1. September, man sei auf allen Positionen ordentlich besetzt, der Kader sei stark genug für die Liga und werde sich ausreichend entwickeln, waren aber eine grobe Fehleinschätzung.

Verpokert haben sich andere

Genauso wie die Vorbereitung auf die von einigen Experten prophezeite Transfersperre. Keller betonte damals, er halte nichts von einem unnötigen Aufblähen des Kaders aufgrund einer etwaig drohenden Sperre. Das Motto „Et hätt noch immer jot jejange“ fliegt dem Sportdirektor gerade um die Ohren. Ob falsch beraten oder beratungsresistent – angesichts eines möglichen Supergaus wäre Sicherheit wohl die bessere Variante gewesen. Natürlich geht diese Feststellung im Nachhinein leicht von der Hand – die jetzigen Folgen können für den FC essentiell werden: Kein Trainer, offensichtlich zu wenig Qualität im Kader, keine Möglichkeit nachzubessern – am Ende mag Steffen Baumgart falsche Entscheidungen bei der Aufstellung, im taktischen Bereich getroffen haben, verpokert haben sich andere.


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