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Kommentierende Analyse: Ist Transfer-Kritik angebracht?

Noch im Juni kündigte Christian Keller einige wichtige Transfers an. Nun schlägt der Sportdirektor in Teilen einen anderen Ton an. Zumindest in der Wahrnehmung gibt es eine gewisse Diskrepanz.

Im Anschluss an die Trainingseinheit am Montag erklärte FC-Sportdirektor Christian Keller, auf welchen Positionen der FC noch nachbessern möchte. Köln wird keinen gestandenen Sechser verpflichten und auch auf der offensiven Außenbahn nur eventuell noch einmal tätig werden. Diese Aussagen führten bei vielen Fans zu Irritationen. Eine kommentierende Analyse: Ist Transfer-Kritik angebracht?

Die Bilanz der Zugänge beim 1. FC Köln konnte sich Mitte Juni wahrlich sehen lassen. Mir Leart Paqarada haben die Kölner laut Trainer Steffen Baumgart den besten Linksverteidiger der 2. Bundesliga verpflichtet, mit Luca Waldschmidt einen ehemaligen Nationalspieler und mit Jacob Christensen einen vielversprechenden Youngster, dem ein großes Potenzial und das Interesse europäischer Topklubs nachgesagt werden. Dazu kommt mit Jonas Nickisch noch ein talentierter Torhüter, der den Kader erweitert. Christian Keller hatte zuvor die Suche nach den Transfers definiert. Unter anderem wolle man versuchen, für die Sechs „einen Spieler zu holen, der direkt gutes Bundesliga-Niveau spielen kann“, sagte der Sportdirektor damals dem „Express“. Daran arbeite man. Zudem suche der FC einen zweiten Torwart und einen Rechtsverteidiger. „Dazu in der Offensive sicherlich noch einen Spieler, der im Idealfall als zweite Spitze und Zehner spielen kann, sowie eine Alternative für die offensive Außenbahn.“

Vier Wochen später ist der Motor deutlich ins Stocken geraten und zwischen den damaligen Worten und den aktuellen liegt eine gewisse Diskrepanz. So betonte Keller am vergangenen Montag, man werde keinen weiteren Sechser verpflichten und auch auf der offensiven Außenbahn ist ein Neuzugang kein Muss mehr. Die Suche nach einem Rechtsverteidiger und einem zweiten Torhüter steht noch auf der Agenda, gestaltet sich aber schwierig. Beide Transfers sind für die Breite des Kaders, nicht zur Qualitäts-Steigerung der Stammelf gedacht. Ist diese trotz der Abgänge von Jonas Hector und Ellyes Skhiri also bundesligatauglich? Wie groß die Diskrepanz zwischen Kellers Aussagen wirklich ist, ist sicherlich Auslegungssache. Es ranken sich jedenfalls zahlreiche Spekulationen um den stotternden Transfermotor – irgendwo zwischen einem wilden Gepokere und enttäuschenden Absagen.

Christensen bringt bereits viel Erfahrung mit

Fakt ist: Der FC hat einen namhaften Spieler verpflichtet, „der zweite Spitze oder Zehn spielen kann“. Die Lücke auf der linken Verteidigerposition ist so gut es geht geschlossen, für die Sechs hat man auch einen Spieler verpflichtet. Ob Christensen direkt „gutes Bundesliga-Niveau“ spielen kann, ist offen, vielleicht sogar fraglich. Die Antwort wird es in der Vorbereitung, den Testspielen, möglicherweise auch erst während der Saison geben. Dennoch haben die Kölner zunächst einmal die Lücken geschlossen, die in einer vermeintlichen Startelf entstanden sind. Dass Christensen einen Ellyes Skhiri nicht eins-zu-eins ersetzen wird, steht außer Frage, ist aber auch nicht so vorgesehen und zumindest in der Bundesliga für einen Verein wie den FC nicht machbar. All diejenigen, die sich eine Rückkehr von Jens Castrop oder mehr Einsatzzeit für diverse Youngster wünschen, sollten sich auf der anderen Seite freuen, dass der FC den Schritt mit dem durchaus erfahrenen Christensen geht, ihn entwickeln will, anstatt nur auf Erfahrung ohne Potenzial zu setzen.

Christensen ist längst kein unbeschriebenes Blatt mehr. Der Mittelfeldspieler ist seit fünf Jahren Profi, bestritt in dieser Zeit schon mehr als 150 Pflichtspiele für Nordsjaelland. Sicherlich ist die dänische Liga nicht mit der Bundesliga zu vergleichen, dennoch weist Christensen schon jetzt eine beeindruckende Profi-Erfahrung auf. Die mögliche Doppelsechs mit Eric Martel würde gemeinsam auf rund 250 Profi-Pflichtspiele kommen. Martel hat sich neben Skhiri in der vergangenen Saison zu einem wahren Leistungsträger entwickelt. Das ist auch Christensen durchaus zuzutrauen.

Das große Potenzial sehen auch die Datenexperten von Global Soccer Network. Das Unternehmen analysiert anhand von bis zu 15.000 Daten pro Akteur sowie Algorithmen mehr als 500.000 Fußballspieler weltweit und berät mit dem GSN-Index europäische Spitzenclubs wie Paris St. Germain oder Chelsea bei Transfer-Entscheidungen und Spieler-Beurteilungen. Der Index von Christensen liegt aktuell bei 70.65. Er gehört damit jetzt schon der Kategorie „internationale Klasse“ an. GSN berechnet sogar noch Potenzial. Demnach kann Christensen sogar auf einen Wert von 78.56 kommen. Bei Skhiri liegt das Potenzial bei 73.24, also deutlich niedriger. Für die Doppelsechs zählt Keller mit eben Christensen und Martel sowie Denis Huseinbasic, Dejan Ljubicic und Mathias Olesen insgesamt fünf Akteure für zwei Positionen auf.

Viel Angebot für die Offensivpositionen

Trotz der Absage von Benedict Hollerbach, sieht der FC auch auf der Außenbahn aktuell keinen zwingenden Handlungsbedarf. Sollte sich die Chance bieten, werden die Geißböcke sicherlich zuschlagen. Dass das aber kein Muss ist und der FC ohne Kopfzerbrechen in die neue Saison starten kann, ist anhand der aktuellen Personalsituation nachvollziehbar. Bleibt Baumgart bei der Viererkette und der Doppelsechs, gibt es in der Offensive genau vier „freie“ Plätze. Keller sprach davon, dass er sich gut vorstellen könne, dass Florian Kainz und Luca Waldschmidt gemeinsam auf dem Platz stünden. Tatsächlich hat auch schon Waldschmidt schon auf der rechten Seite gespielt. Dazu kommen noch weitere potenzielle Stammplatz-Akteure wie Mark Uth (wenn er denn rechtzeitig fit wird), Linton Maina, Davie Selke und Dejan Ljubicic.

Auch Jan Thielmann dürfte nach seiner Genesung im Herbst wieder ein potenzieller Kandidat sein. Und Spieler wie Steffen Tigges, aber auch Dimitrios Limnios fehlen in dieser Aufzählung. Wenn man so will, hat der FC durch den zurückkehrenden Uth und die Neuverpflichtung Waldschmidt zwei Offensiv-Optionen dazu bekommen – wenn man Sebastian Andersson mit keiner und Tim Lemperle mit wenig Einsatzzeit ausklammert.

Die Transferphase ist noch sehr jung, es kann noch viel passieren. Natürlich würde ein weiterer schneller Offensivspieler wie Linton Maina dem Team gut tun, es variabler machen, genauso wie ein gestandener Sechser dem FC mehr Stabilität, sicherlich mehr Routine verleiht. Ein breiterer Kader würde vermutlich auch die Kölner Verantwortlichen ruhiger schlafen lassen. Denn Fakt ist, alle Rechnereien, all das Rumgeschiebe geht nur auf, wenn es keine weiteren langfristigen Ausfälle gibt. Das ganze Gebilde kann funktionieren, steht aber auf sehr wackeligen Beinen. Unterm Strich werden die Kölner Verantwortlichen schon genau sondieren, wo sie zuschlagen können, wo sie zuschlagen müssen. Sie haben auch noch sechs Wochen Zeit dazu – der Transfermarkt schließt am 1. September. Und wenn sie es nicht tun, wird das wiederum gute Gründe haben.

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